Vereinsgeschichte

Als der Schützenverein im Jahr 2002 sein 350-jähriges Bestehen feierte, wird sich gewiss mancher Bürger gefragt haben, ob dieses Jubiläum zu Recht besteht. Anlaß zu diesem Jubiläum ist die Gravur auf einer Plakette der Königskette, die lautet: „Kerspel Dorsten Ao 1652“. Die silberne Plakette wurde von dem damaligen Landesherrn Bischof Maximilian von Köln gestiftet. Eine Seite der Plakette zeigt den Landesherrn mit bischöflichen Ornat.

 

Fest steht, dass im Jahr 1652 im Kerspel (Kirchspiel) Dorsten bereits eine Schützenvereinigung bestand. Ob das Jahr 1652 nun das Gründungsjahr der Vereinigung selbst ist oder ob es sich hierbei um das Stiftungsjahr der Plakette handelt, ist unerheblich. Mit einiger Sicherheit kann jedoch davon ausgegangen werden, dass letzteres zutrifft, und der Verein bereits lange vor 1652 bestand. Neuere Forschungen und eine Überprüfung der geschichtlichen Unterlagen geben berechtigten Grund zu der Annahme, dass das Schützenleben im vestischen Raum schon seit dem 15. Jahrhundert lebendig war.

Die Landesverfassung der kölnischen Erblandesvereinigung schrieb 1463 für die Kirchspiele des Vestes Recklinghausen die Bildung von Schützenabteilungen vor, die im Landesschützenbund unter Führung eines Landeshauptmannes zusammengefasst werden sollten. Der Anführer dieser Schützenabteilungen sollte ein Schützenführer sein. Die gesamten Schützen des Landesschützenverbandes sollten dem Statthalter des Vestes Recklinghausen unterstellt werden. Nach dem rücktritt des Kölner Kurfürsten Salentin im Jahre 1577 waren diese Schützenabteilungen in allen Kirchspielen des Vestes nachweisbar.Alle Anordnungen vom Jahre 1463 waren zum größten Teil erfüllt.

In erster Linie hatten sich die Schützenabteilungen dem Schutz der Einwohner verschrieben, daher auch der Name der Schützen. Die Schützenabteilung war damals die Bürgerwehr des Dorfes, welche Gefahren und Schaden von der Landbevölkerung fernhalten sollte. Doch konnte sie das Morden und Brandschatzen der einfallenden Heere oft nicht verhindern.

In einem Schreiben an den vestischen Statthalter baten die Schützen und Bauern der Bauernschaft Altendorf – Ulfkotte am 2.1.1623 um Nachlaß ihrer Pacht und Steuer, da die meisten schon wegen Hunger, Krankheit und Schwäche nicht mehr ausrücken konnten, um ihren Dienst zu versehen. Es heißt darin u.a.: „ Wir sind dermaßen heimgesucht worden, wie wir es bisher noch nicht erlebt haben. Viele von uns sind durch abscheuliche Krankheiten zu Tode gekommen. Unsere Weiber und Kinder sind noch häufig bettlägerig. Daneben sind wir auch durch die langwierigen Kriegsfeldläger unserer Kornfrüchte und Geräte dermaßen beraubt, dass einige kaum eine Garbe mit Korn, einen Halm Stroh für sich und ihr Vieh besitzen. Für unser Leben ist nichts geblieben. Viele von uns haben sich im Gestrauch und im Busch, in Schuppen verkriechen und Haus und Hof den Soldaten preisgeben müssen. Weil viele nicht mehr ausrücken konnten, mussten sie zusehen, wie die Kornfrüchte von den Kriegsleuten zu deren Feldlägern verschleppt wurden. Auf einigen Feldern stehen die Sommerfrüchte (im Januar!) noch ungemäht. Wir getrauen uns nicht, diese zu ernten.“

Dieses Schreiben ist Beleg dafür, dass es in Altendorf – Ulfkotte schon weit vor 1652 eine Schützenabteilung gegeben hat. Wann es allerdings zur ihrer Gründung gekommen ist, ist urkundlich nicht nachweisbar.

In einem Dekret vom 29.11.1633, datiert in Bonn, wurde vom Kurfürsten von Köln, dem Herzog Ferdinand von Bayern, den Schützen angeordnet, bei Annäherung einer feindlichen Rotte Alarm zu schlagen durch Glockenläuten, Trommeln oder Schüsse und anschließend auszurücken, um das ertappte Gesindel festzunehmen und bei Gegenwehr zu töten. Schützen, die diese Anordnung nicht befolgen, sollten mit Geldstrafen oder Leibesstrafen belegt werden. Die Anordnung war monatlich einmal in den Kirchen zu verlesen. Im Jahr 1652 wurde die Schützenordnung von 1592 ergänzt. (Sie enthielt neue Absätze über Rechte und Pflichten der Schützen) In einer weiteren Schützenordnung des Jahres 1673 wurden die Rechte und Pflichten der Schützen der damaligen Zeit neu angepasst.

Die Aufgaben der Schützenabteilungen waren recht vielfältig. In einer Verordnung des Kurfürsten und Erzbischofs Max Heinrich von Köln vom 22.2.1687, in der die Schützenführer angewiesen wurden, wie sie ihren Dienst in den Kirchspielen und Bauernschaften auszuüben hatten, hieß es u.a.: „ Der Dienst der Schützen hat sich auf die Sicherheit der öffentlichen Ordnung, die Durchführung  nächtlicher Streifen, die Anzeige von erforderlichen Wegeinstandsetzungen, die Abwendung von Feuergefahren, die Übung an den Waffen, die Vornahme von Exekutionen (Hinrichtung von Straftätern) zu erstrecken“.

Darüber hinaus wurden die Schützenabteilungen zusammen mit den regulären Streitkräften bei kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt ( u.a. im Kölner Krieg, im Spanisch – Niederländischen Krieg, im Dreißigjährigen Krieg von 1618 – 1648), wenn dem Kurfürsten nicht genügend Söldner zur Verfügung standen. Da die Schützen jedoch nicht wie Soldaten ausgebildet und ausgerüstet waren, konnten sie gegen die feindlichen Söldner oft nicht bestehen. Deshalb wurde im 18. Jahrhundert ganz auf die Verwendung von Schützen bei Angriffshandlungen verzichtet. Ihre ursprüngliche Aufgabe, den Schutz der Einwohner und notfalls ihre Verteidigung zu übernehmen, blieb ihnen weiterhin vorbehalten.

Waren die Streitigkeiten unter den Fürsten beendet, dann sorgten die Schützen für die Vertreibung herumstreunender Söldner. Sie beteiligten sich an sogenannten Klopfjagden und stellten Wachen und Streifen. Auch standen sie für polizeiliche Aufgaben zur Verfügung wie Verbrechersuche, Gefangenentransporte, Marktüberwachung, Hausdurchsuchung. Beim Besuch des Landesherrn hatten sie ein Geleit zu stellen. Sie übernahmen auch den Schutz öffentlicher Umzüge und Prozessionen und sorgten für den Kanonendonner (Böllerschüsse). Von den Pfarrgemeinden erhielten sie laut Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert dafür schon mal eine Tonne Bier.

Nachdem im Laufe der Jahrhunderte eine Beruhigung des Landes eingetreten war, war der Hauptzweck der Schützenvereinigungen ganz von selbst weggefallen. Nach und nach wurden die bereits erwähnten Aufgaben von anderen staatlichen und kommunalen Einrichtungen (Militär, Polizei, Feuerwehr) übernommen. Geblieben ist den Schützen dagegen die Pflege und Förderung der Gemeinschaft, die Pflege der Nachbarschaften, die Erhaltung und Sicherung alter Sitten und Gebräuche, die Pflege der Heimat- und Ortskunde. So gesehen haben die Schützen auch heute noch ihre Berechtigung und es ist zu wünschen, dass es auch in Zukunft so bleibt.

Höhepunkt des Schützenlebens war in früherer Zeit das Schießen nach dem Vogel auf der Stange. Dieses Vogelschießen ist zwar oft von der Obrigkeit untersagt worden, beseitigt werden konnte es allerdings nie, da es zu tief verwurzelt war. Wenn heute die Schützen auf den Vogel schießen, um ihren neuen Schützenkönig zu ermitteln, wenn sie durch die Straßen marschieren und das Schützenfest feiern, dann tun sie dies in Erinnerung an alte Zeiten und nach altem Brauch.